Theorie der Skulptur | Projekt
20273
page,page-id-20273,page-template,page-template-full_width,page-template-full_width-php,ajax_fade,page_not_loaded,,select-theme-ver-2.0,wpb-js-composer js-comp-ver-4.4.4,vc_responsive
 

Das Projekt

Die kunsttheoretische Diskussion von Skulptur ist historisch durch eine Reihe von Topoi (u.a. Pygmaliondiskurs, Paragone) geprägt, deren Inanspruchnahme oftmals das Gegenteil dessen bewirkt hat, was mit ihrer Hilfe eigentlich geleistet werden sollte: statt der Besonderheiten und Spezifika von Skulptur wurden die Ähnlichkeiten und Verwandtschaften mit den anderen Medien der Bildenden Kunst profiliert und beurteilt.

So erfolgte die Befragung des Mediums Skulptur in der Geschichte meist aus dem Paragone mit der Malerei heraus, wodurch die Skulptur einer einseitigen Wahrnehmung unterlag. Dementsprechend überwiegen die historischen Traktate zur Malerei, in denen die Bildhauerei oft nur eine marginale Berücksichtigung erfuhr und keine eigens ausgeprägte Theorie entwickelt wurde. Auch dort, wo im Zeichen des disegno der exemplarische Status der Skulptur (z.B. eines Michelangelo) anerkannt war, galt das Interesse weniger den jeweiligen Medienspezifika als vielmehr der in der Skulptur verkörperten Idee der Idee. Auch als mit der zunehmenden Bedeutung des Pygmalion-Topos besonders im 17. Jahrhundert[i] die Skulptur als zeitenthobene, unbewegliche statua im Unterschied zum illusionistischen, eine istoria repräsentierenden Gemälde zum Artefakt der Schöpferkraft des deus artifex avancierte und sich damit dem Primat der Malerei selbstbewusst entgegenstellte, trug diese Schlüsselreferenz des gottähnlichen Bildhauers zwar zur Nobilitierung der Skulptur bei, jedoch im Rahmen einer dominanten Verlebendigungsdebatte und der einhergehenden Mimesisforderungen. Eine seitens der Forschung zu konstatierende Fokussierung auf ikonographische und motivgeschichtliche Inhalte mag zum Teil aus diesem Zusammenhang heraus begünstigt worden sein. Auch sie hat dazu beigetragen, dass trotz der neueren, verstärkten Aufmerksamkeit der Kunstgeschichte skulpturtheoretische Fragestellungen bis heute nicht hinreichend berücksichtigt worden sind.[ii]

Das Netzwerk „Theorie der Skulptur“ möchte unterschiedliche Forschungsschwerpunkte im Bereich der historischen, modernen und zeitgenössischen Kunst für die Frage nach der Theorie der Skulptur zusammenführen. Ausgehend von der analytischen Beschäftigung mit konkreten Werkbeispielen einzelner Epochen und deren Diskussion im Kontext ihrer Zeit wird untersucht, welche Perspektiven der historischen Diskussion auf systematische, allgemein Phänomene des Plastischen betreffende Fragestellungen übertragen werden können. Methodisch stehen dabei Überlegungen aus phänomenologischer, diskursanalytischer und bildtheoretischer Perspektive unter Berücksichtigung exemplarisch gewählter Objekte und relevanter Primärquellen im Zentrum der Untersuchungen.

Auf der einen Seite fungiert dabei besonders die Barockplastik in ihrer raumumfassenden, verschiedene Gattungen vereinigenden Konkretion und ihrer zugleich unmittelbaren Betrachteradressierung als gewinnbringendes Beispiel für die betreffenden Analysen.[iii] Auf der anderen Seite werden als zwei weitere Schwerpunkte der Umbruch zur Moderne am Beginn des 20. Jahrhunderts sowie post-/ minimalistische Positionen mit ihrer Ausstrahlung auf gegenwärtige bildhauerische Praktiken in den Blick genommen.[iv] Die angestrebte diskursive Rückbindung ermöglicht eine Entwicklung und Präzisierung zeitübergreifender skulpturspezifischer Parameter, die in fünf Arbeitstreffen gezielt zu diskutieren sind. Neben Räumlichkeit gehören dazu Plastizität, Zeitlichkeit, Narrativität und Ikonizität (Bildlichkeit) – Hauptaspekte plastischen Denkens, die das Medium Skulptur im Verlauf ihrer gesamten Entwicklungsgeschichte bis heute charakterisieren.

Nicht nur in der akademischen Kunstgeschichte, sondern auch im Ausstellungswesen erfährt die Auseinandersetzung mit den Spezifika der Skulptur weiterhin eine nachrangige Berücksichtigung, die dem facettenreichen Potential dieses Mediums nicht gerecht wird. Auch fehlt bisher in der kunsthistorischen Forschung eine umfassende Studie zur Theorie der Skulptur, weshalb das hier beantragte Netzwerk sich diesem Desiderat eingehend widmen möchte.

Die erzielten Ergebnisse werden – ergänzt durch Beiträge externer (internationaler) Referenten – in einer abschließenden Tagung der Öffentlichkeit vorgestellt und in einer Publikation zusammengetragen.

 


 

[i] Vgl. u.a. Gianlorenzo Berninis Figuren der Villa Borghese (ca. 1618-1625) und François Girardons Raub der Proserpina mit dem die Narration der Rundplastik ergänzenden Reliefs im Sockel (1677-1699, Park des Château de Versailles).
[ii] Erste Ansätze (in Form einer umfassenden Zitatsammlung) finden sich bei Eduard Trier, Bildhauertheorien im 20. Jahrhundert, Berlin 1971. Eine kommentierte Textanthologie bietet Jon Wood (Hrsg.), Modern Sculpture Reader, Leeds 2007. Alex Potts nähert sich in „The Sculptural Imagination. Figurative, Modernist, Minimalist“ (New Haven & London 2000) der Skulptur vorwiegend aus einer entwicklungsgeschichtlichen Perspektive.
[iii] Vgl. als Vorarbeiten die 2012 publizierte Dissertation von Ursula Ströbele „Die Bildhaueraufnahmestücke der Académie Royale de Peinture et de Sculpture 1700-1730“.
[iv] Als Vorarbeiten in diesem Bereich sei verwiesen auf das aktuelle Post-Doc Projekt zu Anish Kapoor von Ursula Ströbele, Skulpturale Narrativität in der zeitgenössischen Kunst.

The Project

Historically the art theoretic sculpture discourse has been coloured by a series of topoi (Pygmalion, Paragone et al.) that were not always entirely supportive in their effect: rather than highlighting specific features unique to sculpture, parallels with other fine art forms were drawn and judgments passed. Hence a long history of assessing sculpture in competition (paragone) with painting has led to a limited, one-sided perception. The increasing significance of the Pygmalion topos in the 17th century contributed to prevailing animation fantasies and the demands of mimesis accompanying them.

The academically recognised focus on iconographic and motif-based historic content may well have benefited from this context. This approach has certainly contributed to the fact that sculpture discourse has not gained enough ground despite a growing interest within art history.

The Scientific Network “Theory of Sculpture” aims to collate a range of material covering historic, modern and contemporary art in search of debates on sculpture theory. It will examine whether or not perspectives of historic discourse can be applied to questions on the systematic, general phenomena of sculpture. Methodologically the research centres on ideas drawn from a phenomenological, discourse analytic and image theoretic perspective, while taking into account select example objects and relevant primary sources.

The baroque statue in particular lends itself to an advantageous analysis: it encompasses the space it inhabits, it combines various art forms and it addresses the viewer directly. At the same time however, the influences of early 20th century modernity as well as post-/minimalism movements on contemporary sculptural practice need to be examined.

Thematic focal points form the following time-spanning, sculpture specific parameter: spatiality, plasticity, temporality, narrativity and iconicity. These core aspects of sculptural discourse characterise the evolution of sculpture until today.